Covid19 in Österreich – Zusendungen aus den Stationen

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Die Covid19-Pandemie hat Beschäftigte im Gesundheitswesen weltweit an ihre Belastungsgrenzen gebracht. Wir erhielten mehrere Einsendungen aus unterschiedlichen größeren österreichischen Krankenhäusern, die über ihre Erfahrungen im März und April schrieben. Theodora Billroth hat 2 davon ausgewählt, editiert und anonymisiert.

Bericht – Maria*

Eine Patientin zeigt schwere Symptome: Hohes Fieber, Husten, Atemnot und benötigt Sauerstoff. Die Pflegeperson weiß, dass die Patientin diese Symptome schon länger hat und bereits auf COVID 19 getestet wurde. Zwar war das Testergebnis negativ, die Pflegeperson weiß jedoch, dass, wenn eine Person negativ getestet wurde, es ihr aber weiter schlecht geht und die Testungen deshalb wiederholt werden, die Möglichkeit besteht dass die Person an COVID 19 erkrankt ist. Die Pflegeperson kennt Berichte aus anderen Bereichen, in denen das der Fall war. Die Pflegeperson weiß, dass es ihre Aufgabe ist in Zeiten einer Pandemie ihr ganzes  Wissen und Können dafür einzusetzen, die Verbreitung des Virus zu verhindern. Sie meldet ihre Beobachtung an den Arzt, sie sagt: „der Zustand dieser Patientin ist mir nicht geheuer“ und  „Vorsicht ist doch besser als Nachsicht“. Ihr wird gesagt, dass der Zustand der Patientin abgeklärt sei, es gäbe nicht ausreichend Tests, man müsse sparsam mit den vorhandenen Tests umgehen und sie dort einsetzten wo sie sinnvoll sind. Da es der Patientin zunehmend schlechter geht, erhält die Pflegeperson die Anordnung rasch eine Inhalationstherapie zu verabreichen, die Patientin ist zu schwach den Inhalator selbstständig zu halten, also übernimmt die Pflegeperson das für sie und bleibt bei ihr bis die Therapie abgeschlossen ist. Wie alle Pflegepersonen, die in ihrem Bereich arbeiten trägt sie dabei einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz. Die Pflegeperson weiß, dass sie bei der Verabreichung von Inhalationen einer erhöhten Aerosolbildung und somit einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt ist, sie geht davon aus, dass die Patientin weitere Inhalationen erhalten wird und informiert ihre Leitung über die Situation, die Pflegeperson möchte, dass das Personal bei Verabreichung von Inhalationen bei dieser Patientin eine Atemschutzmaske zur Verfügung gestellt bekommt, die einen besseren Schutz  vor dem SarsCov2 Virus bietet. Die Leitung verneint das, es gäbe nicht ausreichend Schutzmaterial und man müsse sparen, damit dort wo es wirklich gebraucht wird ausreichend Schutzmaterial zur Verfügung steht. Es gäbe keinen Grund Angst zu haben, der Pflegeperson wird gesagt sie soll sich auf ihre Arbeit konzentrieren, es sei jetzt keine Zeit für künstliche Aufregung, man befinde sich schließlich in einer Pandemie und es sei die Aufgabe der Pflegekräfte einen kühlen Kopf zu bewahren. Die Pflegeperson ist verzweifelt, ihre Bedenken werden nicht ernst genommen, der Patientin geht es weiter schlecht und sie benötigt erneut Atemtherapie, die Pflegekraft kann sie der Patientin nicht verwehren, auch wenn die Sorge sich zu infizieren groß ist, die Pflegeperson weiß, dass sie sich und ihre KollegInnen einer Gefahr aussetzt, sie weiß was nötig wäre um die Gefahr zu mindern, ist aber völlig machtlos. Die psychische Belastung ist an diesem Tag so groß, dass die Pflegeperson, als sie ihre Arbeitsstelle verlässt sofort in Tränen ausbricht. Wenige Tage später wird die genannte Patientin positiv auf COVID 19 getestet.

Bericht 2 – Zeynep*

Die Pflegeperson tritt ihren Dienst an und bemerkt, dass ein Patient verlegt wurde. Sie fragt bei ihren Kollegen nach was passiert ist: Der Patient wurde positiv auf das SarsCoV2 Virus getestet. Die Pflegeperson hat den Patienten in ihrem letzten Dienst  betreut, hat ihn bei der Körperpflege unterstützt, ihn mobilisiert, beim essen, trinken und bei der Anwendung der Sauerstofftherapie unterstützt. Die Pflegeperson versteht nicht warum man  sie nicht angerufen und informiert hat was jetzt zu tun ist. Sie wundert sich warum es keine Änderung hinsichtlich der Hygienemaßnahmen gibt. Weiterhin trägt sie nur einen MNS. Sie fragt bei ihren Kollegen nach, welche Schritte eingeleitet wurden, die Antwort: keine. Sie ist geschockt dies für ihre KollegInnen keinen optimalen Schutz vor dem Virus bietet und kann das Vorgehen an ihrer Arbeitsstelle nicht nachvollziehen. Sie wendet sich an ihren Vorgesetzten und berichtet, dass sie den positiven getesteten Patienten gepflegt hat, fragt nach wann und wo sie getestet wird und was sie sonst zu beachten hat bis das Testergebnis vorliegt. Ihr Vorgesetzter antwortet ihr, sie soll sich beruhigen, es gibt keinen Grund hysterisch zu werden, es sei nicht vorgesehen dass sie oder ihre Kollegen getestet werden, sie müsse keine zusätzlichen Hygienemaßnahmen beachten, sich aber melden falls sie sich krank fühle. Die Pflegeperson ist vor den Kopf gestoßen, kritisiert das Vorgehen ihres Vorgesetzten weil sie es für gefährlich hält, sie wiederholt dass sie während der Betreuung des Patienten nicht ausreichend geschützt war und Angst hat, sich angesteckt zu haben, sie hat Angst ihre Familie anzustecken und will nicht dafür verantwortlich sein, dass die Infektion sich weiter verbreitet. Sie fordert, dass sie und die Kollegen die Kontakt zu dem Patienten hatten getestet werden. Eine Diskussion entsteht, in der der Pflegeperson vorgeworfen wird irrational zu sein und Panik zu verbreiten, ihr wird vorgeschlagen sich psychologische Unterstützung zu holen oder den Beruf zu wechseln, denn sie sei von der Situation überfordert und solle sich überlegen ob sie für den Beruf (den sie über 10 Jahre ausübt) geeignet ist. Abschließend sagt man ihr, dass das Vorgehen, das sie kritisiert sicher ist weil es den Vorgaben der zuständigen Hygienestelle entspricht. Die Pflegeperson weiß, dass ihre Bedenken auf einer rationalen Grundlage stehen. Sie fühlt sich nicht ernst genommen und bloß gestellt, weil man sie als hysterisch bezeichnet hat. Sie zieht Konsequenzen und meidet die nächsten 14 Tage den Kontakt zu ihrer Familie da sie nicht weiß ob sie sich infiziert hat oder nicht. Dass ihre Sorgen bagatellisiert wurden, die Unsicherheit ob sie sich angesteckt hat oder nicht und die selbstauferlegte Selbstisolation außerhalb der Arbeit bedeuten für sie eine zusätzlichen psychischen Belastung, es fällt der Pflegeperson zunehmend schwer dem aktuellen Druck an ihrer Arbeitsstelle stand zu halten.

Anmerkung Theodora Billroth: 

Das medizinische Personal nimmt eine tragende Rolle in der Bekämpfung der Pandemie ein und stand dabei unter Druck und wird es möglicherweise auch bald wieder tun. Es ist notwendig jede zusätzliche Belastung der Beschäftigten abzuwenden, damit die Herausforderungen einer weltweiten Pandemie und Krise gut bewältigt werden können. Wenn die MitarbeiterInnen des Gesundheitssystems die Belastungen denen sie ausgesetzt sind, nicht mehr tragen können kann es zu Zuständen wie in Italien, in Spanien und in den USA kommen.

Es ist positiv, dass das Thema der psychischen Belastung von medizinischem Personal unter den Bedingungen der COVID 19 Pandemie mittlerweile in der Gesellschaft angekommen ist, dass diverse Studien darüber gemacht werden und auch die Politik gezwungen wird darauf zu reagieren. Problematisch ist aber, dass oft kein Unterschied gemacht wird zwischen den Belastungen die vermeidbar sind, und denen die  im Rahmen einer Pandemie nicht vermeidbar sind.

Dementsprechend sehen auch die Lösungen aus, die dem vielfach belasteten  medizinischen Personal angeboten werden: Die Bundesregierung setzt auf „Stärkung der Emotionalen Belastbarkeit des Personals“ anstatt auf Verbesserung der Arbeitsbedingungen, der amtierende Gesundheitsminister ruft im Zuge der COVID 19 Pandemie dazu auf jetzt genauer hinzusehen und zuzuhören was die Mitarbeiter in der Pflege beschäftigt und belastet.

Aber gegen viele Probleme von denen die Mitarbeiter des Gesundheitswesens berichten helfen solche Maßnahmen nicht: Weltweit herabgesetzte Hygienestandards, die dazu führen, dass die Gesundheit des Personals während einer Pandemie möglicherweise nicht bestmöglich geschützt ist, weil die entsprechende Schutzausrüstung nicht ausreichend vorhanden ist, aus Spardruck nicht verwendet wird oder über die von den HerstellerInnen empfohlene Anwendungszeit hinaus verwendet werden muss.

Pflegepersonen werden herabgewürdigt und unter Druck gesetzt, weil sie ihre Bedenken, Sorgen und Kritik aussprechen; MitarbeiterInnen, denen vorgeworfen wird emotional schwach zu sein, weil sie sich aus Angst vor einer Ansteckung oder bei leichten Erkältungssymptomen bei „1450“ gemeldet haben.

Das sind Belastungen gegen die, die oben genannten Maßnahmen nicht helfen. Was es  braucht sind reale Verbesserungen, die dazu beitragen eine bessere Ausgangslage für die Arbeitenden im  Gesundheitswesen zu schaffen. Denn das Gesundheitssystem ist unsere beste Waffe im Kampf gegen Covid19.

*Namen und Hinweise auf Orte wurden anonymisiert.

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