Bereits seit längerer Zeit hat sich Skepsis gegenüber der gesamten Gewerkschaft breitgemacht. Insbesondere in unserem Arbeitsumfeld, im Gesundheits- und Sozialbereich, gibt es einige KollegInnen, die ihre Gewerkschaftsmitgliedschaft zurückgelegt haben oder überlegen auszutreten. Grund dafür ist in den allermeisten Fällen eine Unzufriedenheit mit der Führung. Die Younion in Wien hat, wenn man die Anzahl der Wahlberechtigten bei den Gewerkschaftswahlen vergleicht, über 4000 Mitglieder verloren. Warum es trotzdem notwendig ist den Widerstand IN der Gewerkschaft zu organisieren.
Was wir hauptsächlich erleben, wenn wir die Aktivitäten der Interessensvertretungen mitverfolgen, sind Presseaussendungen zu den Arbeitsbedingungen in unseren Betrieben, und die Ergebnisse der Gehaltsverhandlungen. Gerade diese sind heuer besonders enttäuschend ausgefallen. Es gab laut Younion eine „rasche und verantwortungsvolle Einigung“ bei 1,45%. Dieses Ergebnis stellt bei einer Inflation der letzten Monate zwischen 1,7% und 1,3% keine reale Verbesserung für uns dar. Wer hätte gedacht, dass der SWÖ KV Abschluss sich im Ergebnis weiter oben einreiht und gerade die gut organisierte Younion in Zeiten wie diesen ein Totalversagen hinlegt? Das ist die Auswirkung mangelnder Perspektiven und einer reinen Defensivstrategie.
Laut Kollege Meidlinger, unserem Vorsitzenden der Gewerkschaft Younion, haben die Verhandlungen „in besonderen Zeiten und unter schwierigen Rahmenbedingungen stattgefunden.“ Welche schwierigen Rahmenbedingungen hier gemeint sind, können wir uns nicht erklären. Die letzten Monate haben gezeigt, dass es von Seiten der Gesellschaft zur enormen symbolischen Solidarisierung mit uns Schlüsselarbeitskräften im Gesundheitsbereich gekommen ist. Außerdem wären die ArbeitgeberInnen gerade zu Zeiten einer Pandemie extrem unter Zugzwang, wenn die Gewerkschaft gemeinsam mit den Belegschaften Forderungen aufstellen würden.
Diese passive und nachgiebige Haltung der Gewerkschaft hat aber keinen subjektiven Grund. Hauptproblem ist nicht, dass vielleicht einzelne führende Köpfe innerhalb der Interessensvertretung „schlecht verhandeln“ können oder zu schnell einknicken. Das wäre eine verkürzte Erklärung. Wir haben es hier mit einer prinzipiellen Frage zu tun: die Frage der in Österreich heiligen Sozialpartnerschaft.
Vertretungen von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen setzen sich an einen Tisch und verhandeln die Arbeitsbedingungen für einen gewissen Zeitraum in der Zukunft. Am Ende werden die Ergebnisse den KollegInnen als alternativlos verkündet. Wir als Liste Solidarität lehnen diese Form der freundlichen Zusammenarbeit mit den ArbeitgeberInnen ab. Es gibt nämlich einen grundsätzlichen Interessenswiderspruch zwischen uns und den ArbeitgeberInnen, der durch das sozialpartnerschaftliche Prinzip verwässert wird.
Die Unternehmensführungen, die Politik und die Kollegialen Führungen in unseren Häusern haben andere ökonomische Interessen als wir an der Basis. Die zunehmende Privatisierung, die Arbeitsintensivierung ohne zusätzliche Posten zu schaffen, die Spaltung der Belegschaft durch bessere und schlechtere Verträge. Das alles sind ihre Agenden und Interessen, die sie deshalb haben, weil sie den Sparzwang, den die Politik vorgibt, akzeptieren. Das wir diese zunehmend am eigenen Leib und im Arbeitsalltag spüren, ist ein Indiz dafür, dass wir uns als ArbeitnehmerInnen besser durchsetzen müssen. In der Sozialpartnerschaft versucht man durch geschickte Verhandlung das eine oder andere Zugeständnis von der ArbeitgeberInnenseite zu erhalten. Unsere Arbeitsrealität zeigt uns, dass Verhandeln und Hoffen nicht ausreichen.
Außerdem wird die Gewerkschaftsbasis de facto nicht in die Verhandlungen eingebunden, was alles andere als demokratisch ist. Wir brauchen Urabstimmungen über Gehaltsabschlüsse. Sie würden es den ArbeitgeberInne unmöglich machen, uns Gehaltserhöhungen unter der Inflationsrate zu geben. Einzelne Belegschaften haben aus Protest über den schlechten Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) Abschluss im April 2020 auf eigene Faust eine Urabstimmung durchgeführt. In ihnen zeigt sich eine klare Ablehnung des Ergebnisses. Solche Abstimmungen würden als demokratische Mitbestimmung und Druckmittel gegenüber den ArbeitgeberInnen dienen.
Wir müssen auf unsere eigene Stärke vertrauen und uns gemeinsam gegen die permanenten Verschlechterungen in unserem Bereich wehren. Das geht jedoch nur durch die Gewerkschaft. Wir dürfen sie aber nicht als Mittel der Stellvertretung, wie es von der Führung vorgelebt wird verstehen, sondern als unser Schutzschild, unsere Organisation und unser Werkzeug gegen die Angriffe auf unsere Arbeitsbedingungen. Mit diesem Grundverständnis bauen wir als Liste Solidarität eine schlagkräftige und demokratische Opposition zum sozialpartnerschaftlichen Prinzip innerhalb der Gewerkschaft auf und rufen alle KollegInnen dazu auf, Gewerkschaftsmitglied zu bleiben oder zu werden. Wir sind davon überzeugt, dass auch viele KollegInnen innerhalb anderer Fraktionen diese Überzeugungen teilen. Sie sind herzlich dazu eingeladen, gemeinsam mit uns tätig zu werden.
Uns als Basis zu organisieren, muss demokratisch und auf allen Ebenen, angefangen beim eigenen Team, passieren. KollegInnen, die das Vertrauen des Teams haben, können gewählt werden und als demokratische VertreterIn für ihre KollegInnen agieren. Sie können Informationen, Missstände und Forderungen der Basis an die PersonalvertreterInnen und GewerkschafterInnen weiterkommunizieren. Andere Organisationseinheiten können sich so solidarisieren, was wiederum die Schlagkraft einer Forderung ungemein erhöht. Mit VertreterInnen innerhalb der Personalvertretung kann dann auch auf Ebene der Dienststellenausschüsse gearbeitet werden. So können Erfahrungen systematisch und über Stations-, Bereichs- und sogar Häusergrenzen geteilt werden. Die jetzige Pandemie ist für uns eine riesige Herausforderung, jedoch können wir wichtige Schlüsse für die Zukunft ziehen. Wir alle haben jetzt eine sehr genaue Vorstellung davon, wie ein Notbetrieb im Krankenhaus aussehen kann. Es ist wichtig diese Erfahrungen gemeinsam mit den KollegInnen zu teilen, zu systematisieren und für die kommende Zeit als Mittel des Arbeitskampfes zu nutzen. So ist ein Streik in Form eines Notbetriebes durchaus möglich, um unsere Forderungen durchzusetzen!
Diese Art der Organisation erfordert die Einbindung einer über Berufsgrenzen hinweg größtmöglichen Zahl an Menschen im Betrieb. Langjährige und erfahrene KollegInnen haben andere Perspektiven und ein anderes Know-How als Leute die frisch von der Ausbildung kommen welche vielleicht aufgrund ihrer Lebenssituation der Organisierung mehr Zeit oder Energie widmen können. Wir dürfen uns daher nicht mit Vorurteilen begegnen, sondern die Möglichkeit, voneinander zu lernen und zu profitieren, nutzen. Egal welcher Berufsgruppe wir angehören, welchen Ausbildungsweg wir gegangen sind oder was unsere Muttersprache ist: Im Zentrum steht: wir arbeiten gemeinsam für beste Bedingungen im Spital.
Lernen können wir aber nicht nur von den KollegInnen im unmittelbaren Umfeld sondern auch von internationalen Bewegungen. Auch im Ausland kämpft das Krankenhauspersonal gegen schlechte Arbeitsbedingungen, für eine bessere Finanzierung des Gesundheitssystems und bessere Gehälter. Gemeinsam diese Arbeitskämpfe zu studieren, kann uns in Zukunft sehr nützlich sein. All das geht viel leichter, wenn wir uns organisieren und uns gemeinsam bei Gruppendiskussionen (online oder real) bilden und diskutieren.
Wir als Liste Solidarität wollen wachsen und uns vernetzen, um gemeinsam eine schlagkräftige, kämpferische und demokratische Opposition aufzubauen. Und dafür brauchen wir euch – von allen Berufsgruppe, egal ob „alt“ oder „jung“, „akademisch“ und „nicht akademisch“, irrelevant welche Muttersprache ihr sprecht.