Alle Jahre wieder rufen Stimmen nach einer Pflegekammer. Mit einer Kammer sollen das Ansehen und die Arbeitsbedingungen der Pflege deutlich verbessert werden. Als Vorbild dient die durchsetzungsstarke Ärztekammer. Doch ist eine Pflegekammer die große Rettung für die Pflege? Ein Debattenbeitrag von Patrick Kaiser.
Ein erster Vergleich mit der Ärztekammer hinkt, denn in dieser Kammer sind mehr als 50 % freiberuflich tätige Ärztinnen organisiert. Die mangelnde Vertretung der angestellten Ärztinnen wird dort oft kritisiert, der Fokus liegt auf den selbstständigen Bereich. In der Pflege arbeitet nur ein geringer Teil in selbstständigen Arbeitsverhältnissen, und wenn doch, dann oft als „Scheinselbstständige“ für einen einzigen Arbeitgeber. Die Arbeitsbedingungen werden also immer von den strukturellen Gegebenheiten des Arbeitsplatzes bestimmt und sind damit nur schwer über Berufsverbände zu beeinflussen.. Eine Pflegekammer wird diese laute Stimme nie erreichen, denn wir werden als selbstlos funktionierende Arbeitskräfte gesehen, denen man zwar applaudieren darf, aber denen man keine besseren Arbeitsbedingungen zuspricht.
Erfahrungen mit einer Pflegekammer
In Deutschland gibt es bereits erste Bundesländer, die eine Pflegekammer betreiben. Die Erfahrung dort zeigt, dass es eine verpflichtende Zugehörigkeit zu einem nach außen hin zahnlosem bürokratischem Tiger darstellt. Nach innen werden aber immer wieder Qualitätsvorgaben an die Pflegekräfte gestellt, die oft aufgrund der Arbeitsbedingungen einfach nicht zu erreichen sind. Die Zwangsbeiträge sind dort sehr hoch und nicht selten hindert dieser Beitrag auch an einem Beitritt zur Gewerkschaft. Inzwischen wird die Pflegekammer Niedersachsen sogar aufgelöst, weil sie ihrem Anspruch einer Vertretung der Berufsgruppe einfach nicht gerecht werden konnte. Arbeitsbedingungen verändern kann man also nur an der Basis, wo die Pflegekräfte mit den PatientInnen arbeiten: in den Betrieben und Organisationen.
Bereits existierende Berufsverbände setzen sich wie das Beispiel GuKG zeigt zwar für „Zuckerl“ wie eine Akademisierung ein, aber schweigen oft zu unseren Arbeitsbedingungen und haben bereitwillig in Kauf genommen, dass in Summe eine neue Masse an kürzer ausgebildeten Pflegekräften mit denselben Kompetenz- und Aufgabenbereichen eingesetzt werden, die bislang eine dreijährige Ausbildung erforderten. Einen ausreichenden finanziellen Ausgleich für dieses Basiskräfte gab es ebensowenig wie bei der Übernahme von ärztlichien Tätigkeiten durch DGKP’s.
Insgesamt stellt eine Pflegekammer einen Wasserkopf aus angestellten „ExpertInnen“ dar, die die Probleme von der Basis entweder nicht kennen oder ignorieren.
Wer verhandelt Löhne und Arbeitsbedingungen?
Eine Pflegekammer kann weder Kollektivvertragsverhandlungen führen noch bessere Arbeitsbedingungen erkämpfen oder zu einem Streik aufrufen.
Das Problem in Österreich ist nicht das Fehlen einer Pflegekammer, sondern die Zerteilung des an der Basistätigen Personals auf viele unterschiedliche Fachgewerkschaften: Younion, GÖD, GPA-djp usw. So kann keine geeinte Stimme im ÖGB entstehen, die kampfkräftig die Interessen von uns allen unterstützt. Übrigens gibt es in Österreich eine wichtige Organisation: Die Arbeiterkammer. Dieses „ArbeiterInnen-Parlament“, in dem wir alle MitgliederInnen sind, sollte eigentlich die wichtige politische Vertretung aller lohnabhängigen Beschäftigten sein. Leider ist die Pflege dort noch unterrepräsentiert. Aber es gibt bereits einige Erfolge, z.B. wurde die Pflegelehre von der AK Wien deutlich abgelehnt. Oppositionelle Stimmen in allen Gremien zu stärken und von unten Druck zu machen wird notwendig sein und bringt Erfolg, wie man ja auch an der nach langen Kämpfen gegen den Widerstand von oben durchgesetzten Optierungsmöglichkeit in das neue Gehaltsschema sieht.
Die Lösung für bessere Arbeitsbedingungen, optimale Personalschlüssel, gute Löhne und bestes Arbeitsmaterial kann eine Organisation wie eine Pflegekammer von oben nicht bringen. Wir müssen gemeinsam in den Gewerkschaften, der Arbeiterkammer und direkt vor Ort am Arbeitsplatz organisieren und versuchen Streikfähigkeit herzustellen.
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