Erfahrungen aus dem SWÖ

Quelle der Funke

Wir brauchen Urabstimmungen!

Sarah Ott, Betreibsrätin beim Verein LOK – Leben ohne Krankenhaus, beschreibt die Situation nach dem SWÖ Abschluss und argumentiert wieso es Urabstimmungen braucht.

Obwohl sich viele bereits auf längere Auseinandersetzungen eingestellt hatten, wurde der SWÖ-Kollektivvertrag in der 4. Verhandlungsrunde am 16. November mitten in der Nacht doch noch abgeschlossen. Die Gewerkschaften GPA und vida loben sich öffentlich zum gelungenen Abschluss der bei bis zu 10,2% deutlich über der Inflation wäre. Bei genauerem Hinsehen bleibt aber für die Beschäftigten eigentlich nicht viel mehr über als ein weiteres Einzementieren von Reallohnverlusten, Personalknappheit und Überbelastung. Zwar gibt es kleine Verbesserungen für einige wenige Bereiche, aber der Abschluss dient keinesfalls dazu die Verluste der letzten Jahre, durch den 3-Jahresabschluss auszugleichen, oder gar dafür zu sorgen, dass sich die Arbeitssituation deutlich verbessern würde. Denn +10,2% bekommt nur die untere Verwendungsgruppe, bei der dieser Prozentbetrag durch die Mindesterhöhung von 175€ Brutto bei Vollzeit entsteht. Bei den meisten der 130.000 Beschäftigten bleibt es bei +8%, was angesichts der hohen Inflation jedenfalls einen Reallohnverlust mit sich bringt.

Dabei war die Kampfbereitschaft unter den Beschäftigten durchaus hoch, wie sich auch bei der Demo am 8.11. in Wien gezeigt hat. Trotz Kälte waren weit über 3000 Beschäftigte auf der Straße und es schallte: „Wir sind streikbereit“ durch den Demozug. In einigen Betrieben fanden bereits erste Warnstreiks statt (und das obwohl es keine Streikfondfreigabe durch den ÖGB gab) und es kam durch längere Betriebsversammlungen zu „de-facto Streiks“, die beispielsweise dazu führten, dass die Nachmittagsbetreuung an Schulen ausgefallen ist. Überall wurden Streikbeschlüsse gefällt, die vom Verhandlungsteam aber letztendlich ignoriert wurden. Der schnelle Abschluss, noch lange bevor der Kollektivvertrag am 1.1.2023 dann wirklich in Kraft tritt ist also eine vertane Chance. Um das zukünftig zu verhindern und den Beschäftigten die Möglichkeit zu geben auch wirklich für ihre Anliegen zu kämpfen, braucht es Urabstimmungen über die Verhandlungsergebnisse bevor ein Kollektivvertrag unterschrieben wird. Eine solche Urabstimmung ist in anderen Ländern durchaus üblich (beispielsweise bei Verdi in Deutschland), aber auch in Österreich gab es bereits solche Urabstimmungen. Beispielsweise 2013 beim Journalisten KV, oder auch beim Streik in den oberösterreichischen Ordensspitälern 2013. Und auch in den aktuellen KV-Verhandlungen finden durchaus Befragungen statt, so soll das Angebot der Arbeitgeber in den Ordensspitälern den Beschäftigten zur Abstimmung vorgelegt werden, und auch bei der ÖBB wurde öffentlich darüber nachgedacht ein Angebot von unter +400€ vor dem Streik abstimmen zu lassen.

Eine Urabstimmung gibt nicht nur den Beschäftigten die Kontrolle über ihre Arbeitskämpfe, sie stärkt auch das Verhandlungsteam, weil damit klar wird, dass die Arbeitgeber gar nicht erst versuchen müssen uns mit Peanuts abzuspeisen. Leider ist die Gewerkschaftsführung im SWÖ nicht bereit eine solche Urabstimmung zu machen, auch wenn es zumindest aus Wien bereits aufrechte Beschlüsse dazu gibt. Daher müssen wir auch heuer wieder auf selbstorganisierte Urabstimmungen zurückgreifen um zu zeigen, wie die Beschäftigten den Abschluss sehen. Solche selbstorganisieren Urabstimmungen von unten fanden bereits nach dem Abschluss 2020 statt und zeigten damals ein sehr eindeutiges Bild gegen diesen. Heuer wollen wir diese Abstimmungen ausweiten und mehr Betriebe miteinbeziehen. Wir wollen uns nicht mundtot machen lassen oder darauf warten, dass uns jemand erlaubt mitzureden. Organisieren wir uns von untern, holen wir uns die Kontrolle über unsere Arbeitskämpfe und damit auch über unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen zurück!

Streiks demokratisch organisieren!

Die KV-Verhandlungen machten den Herbst zu einem stürmischen. Sie fanden 2022 vor dem Hintergrund einer Teuerungswelle, einer horrenden Inflation und nach zwei Jahren Pandemie statt. Yulia Strobler berichtet vom Kampf innerhalb des SWÖ.

So besonders die Umstände sind, so besonders ist und sollte der Umgang mit ihnen sein. Die drohende Verschlechterung der Lebensverhältnisse vieler Menschen führte dazu, dass es diverse Warnstreiks (u.A. EisenbahnerInnen, Ordensspitäler, BrauerInnen) und viel Solidarität und gegenseitiges Interesse zwischen verschiedenen Bereichen gab.

Auch im privaten Sozialbereich (SWÖ), den GPA und VIDA verhandeln, gab es eine kämpferische Dynamik, nachdem 2020 ein unterirdischer Drei-Jahres-Abschluss verhandelt wurde.  Wie unzufrieden viele KollegInnen mit ihm waren, zeigte sich anhand einer von engagierten BetriebsrätInnen initiierte Urabstimmung im Jahr 2020. Weit über 90% der Befragten – immerhin 10 Betriebe machten mit – zeigten sich enttäuscht von dem Verhandlungsergebnis der Gewerkschaft. Gleichzeitig rühmte sich die GPA für ihren Misserfolg, den sie als DEN Weg zu „Sicherheit und Stabilität in Krisenzeiten“ verkaufen wollte. Selbst die heurigen Verhandlungen hätte die Gewerkschaftsführung am liebsten wieder im stillen Kämmerlein ausgemacht, was ihr durch kämpferische Belegschaften erschwert worden ist. An dieser Stelle sei an die Demonstration/Warnstreiks vom 08.11. erinnert, an denen knapp 3500 Beschäftige teilgenommen haben. Auch wenn die Verhandlungen im SWÖ mit einem satten Reallohnverlust beendet worden sind, sammelten viele KollegInnen im Vorfeld des Abschlusses wertvolle Erfahrung in puncto Arbeitskampf. Die Erfahrung einer aktiven Gestaltung der eigenen Lebensverhältnisse wird nachhaltig und vor allem im Hinblick auf künftige Arbeitskämpfe relevant sein.

Ganz wie die neue Situation es erforderte, blieben die ArbeiterInnen nämlich nicht passiv – ganz im Gegenteil! Im Betrieb, in dem ich als Betreuerin arbeite, bildete sich zum ersten Mal seit seinem Bestehen ein Streikkomitee aus. Dieses Streikkomitee entstand im Zuge einer Betriebsversammlung und basierte auf der einstimmigen Entscheidung der dort Anwesenden, Arbeitskampfmaßnahmen wie Streiks durchführen zu wollen, bis ein fairer Abschluss erreicht worden ist. Die wichtigste Aufgabe eines Streikkomitees besteht darin, alle Mitarbeitenden über den Beschluss zu informieren und ggf. informelle Zustimmungen einzuholen (via E-Mail/Anruf etc.). Wichtig ist, dass (dort wo notwendig) die Organisation eines Notdienstes besprochen werden muss. Hierbei ist zu betonen, dass ein Notdienst keinen Streikbruch darstellt! Auch für die Sichtbarkeit des Streikbeschlusses sollte gesorgt werden. Sowohl Buttons, die die Streikbereitschaft und Solidarität signalisieren, als auch Plakate, Transparente und Warnwesten spielen eine gewichtige Rolle. Demosprüche und ein Megafon sorgen schließlich für die Hörbarkeit der Forderungen! Sobald das Streikkomitee sich auf den Ort und die Zeit für etwaige Gestaltungsaktionen geeinigt hat, ist damit zeitnah an das Kollegium heranzutreten, sodass sich Freiwillige bei diesen Aktionen einbringen können. Planung in enger Absprache mit der Belegschaft sind notwendige Pfeiler einer demokratischen und effektiven Basisinitiative. Das heißt im Klartext: Diskutieren, planen und abstimmen! Dabei kann es sein, dass die Forderungen der KämpferInnen viel weitreichender sind als die der Gewerkschaftsführung, wie der diesjährige SWÖ-Abschluss zeigt. Davon darf man sich nicht entmutigen oder verunsichern lassen. Der demokratische Ablauf eines Streiks dient dem Rückhalt unter den Beschätigten und als Versicherung für die aufgestellten Forderungen – etwas, dass einer sozialpartnerschaftlich orientieren Gewerkschaft oft fehlt. Wir brauchen Arbeitskämpfe unter der Kontrolle der ArbeiterInnen selbst und nicht nur der Gewerkschaftsfunktionäre.

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